MODUL: TWITTERNDE BÄUME

Unsere Twittering Trees sind zwei Buchen und zwei Eichen, von denen jeweils ein Paar im Stadtgarten Siegen und eines in Burbach steht. Sie sind mit Sensoren versehen, die jede halbe Stunde den Fluss des Wassers im Innern des Stammes hinauf messen und mit Sensoren, die den Umfang der Bäume bestimmen.

Doch warum fließt überhaupt das Wasser im Innern den Stamm des Baumes hinauf?

Und warum beeinflusst das den Stammdurchmesser im Verlauf des Tages?

Durchmesser der Bäume

Abbildung 1: Veränderung des Umfangs der Twittering Trees in mm.

Die Blätter

Der Grund für diese Phänomene liegt in den Blättern. Hier betreiben die Bäume Photosynthese, machen also aus Wasser (H2O) und Kohlenstoffdioxid (CO2) die Endprodukte Zucker und Sauerstoff (O2). Damit die Bäume die Photosynthese betreiben können, müssen die Ausgangsstoffe, also Wasser und Kohlenstoffdioxid, in ausreichender Menge vorhanden sein. Allerdings kann das CO2, das sich in der den Baum umgebenden Luft befindet, nicht einfach in die Zellen der Blätter hinein. Das liegt daran, dass die Blätter mit einer dünnen Wachsschicht gegen unkontrollierte Verdunstung von Wasser geschützt sind, was gleichzeitig die Aufnahme von Kohlenstoffdioxid verhindert. Dafür haben die Blätter Hohlräume auf der Unterseite, die sie mittels spezieller Schließvorrichtungen, den Stomata, öffnen und schließen können. In diesen Hohlräumen besteht Kontakt zwischen feuchten Zelloberflächen, die CO2 aufnehmen können, und der Luft. An dieser Stelle verdunstet auch eine große Menge Wasser und verlässt den Baum durch die Spaltöffnungen.

Diese Verdunstung führt zu einem Sog, der sich durch die Zellen der Blätter, über die Äste bis in die Wurzeln hinein fortsetzt.

Der Stamm

Diese Bewegung setzt nicht überall zugleich ein. Messungen in Wurzeln, Stamm und Zweigspitzen haben gezeigt, dass sich zuerst das Wasser in den Zweigspitzen in Bewegung setzt. Da die Wasserteilchen durch Kohäsion miteinander zusammenhängen, ziehen die Wasserteilchen in den Zweigspitzen dabei ebenfalls am Wasser im Stamm, das nach oben gezogen wird. Das Wasser zieht aber nicht nur am Wasser weiter unten, sondern auch an den Wänden der Gefäße, in denen es fließt. Dieses Phänomen bezeichnen wir auch als Adhäsion (von lat.: adhaerere – anhaften). Die Gefäße werden dadurch zusammengezogen und das ist genau das, was unser Dendrometer messen soll. Viele sich zusammenziehende Gefäße führen zu einer Abnahme des Umfangs der Bäume.

Testen Sie Ihr Wissen

Wenn morgens die Sonne aufgeht und dadurch die Transpiration an den Blättern steigt…

beginnt der Sog zuerst die Zweig-, und dann den Stammdurchmesser zu verringern.

beginnt der Sog zuerst den Stamm-, und dann die Zweigdurchmesser zu verringern.

zieht sich das Wasser gleichmäßig, wie an einem Faden, durch den gesamten Baum.

beginnt der Sog zuerst die Wurzel-, und dann den Stammdurchmesser zu verringern.

Der Heatpulse-Sensor

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Die Menge an Wasser, die durch den Baum zu den Blättern transportiert wird, können wir mit unseren Heat-Pulse Sensoren messen. Das Wasser, das der Baum in den Wurzeln aufnimmt, steht über Leitbahnen im Inneren der Wurzeln mit dem Stamm in Verbindung. Die Leitbahnen, die das Wasser und Mineralstoffe nach oben transportieren, werden Xylem genannt und sie sind hier dargestellt.

Wir haben den Baum an einer Stelle mit drei Löchern angebohrt, um unseren Heat-Pulse Sensor an das sich im Innern des Baums befindende Xylem zu bringen. Der Sensor kann das Wasser an einer Stelle kurz erhitzen. Durch die Geschwindigkeit, mit der dieser Wärmeimpuls bei den anderen Sensoren ankommt, lässt sich errechnen, wie schnell und wie viel Wasser den Baum hinauffließt.

Abbildung 2: Transpirationsmengen in Liter pro Zeiteinheit, hochgerechnet vom Xylemfluss im Stamm zweier Eichen und zweier Buchen. Die Formeln basieren auf den gemessenen Temperaturdaten und müssen für die Eiche noch in Hinsicht auf die Wärmeleitfähigkeit des Holzes optimiert werden.

Die Wurzeln

Die Aufnahme des Wassers findet an den Wurzeln statt. Hier stehen die Wurzelhaare, feine Ausstülpungen der Wurzeln, mit dem Bodensubstrat in enger Verbindung. Während tagsüber an den Blättern Wasser verdunstet, wird über die Wurzelhaare aus dem umgebenden Erdreich passiv Wasser in die Bäume gesogen. Auch nachts fließt Wasser, dadurch dass die Bäume aktiv geladene Teilchen unter der Erde in das Xylem pumpen, was ebenfalls für einen Wassersog im unteren Bereich der Bäume sorgt.

Mit dem Voranschreiten des Klimawandels und den damit einhergehenden häufiger zu erwartenden Extremwetter-Ereignissen, macht sich ein wichtiger Unterschied zwischen den Buchen und Eichen bemerkbar: Während die Buche flachere Wurzeln hat, kann die Eiche auch in Perioden großer Trockenheit ihre tief wachsenden Wurzeln nutzen, um tiefer liegendes Wasser  zu erreichen. Die Eichen können sogar nachts das Wasser aus dem Grundwasser in höhere liegende Bodenschichten transportieren und dort zwischenlagern, sodass tagsüber Wassermangel weniger wahrscheinlich ist.

Quellen:
Dieter Heß. 2008. Pflanzenphysiologie 11. Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart.
Peter Raven, Ray Evert, Helena Curtis. 2019. Biologie der Pflanzen. Reprint 3. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin, New York.
Kathy Steppe, Raoul Lemeur. 2004. An experimental system for the analysis of the dynamic sap-flow charaxteristics in young trees: results of a beech tree. In: Functional Plant Biology. 31. S. 83-92.
Marion Zapater et al. 2011. Evidence of hydraulic lift in a young beech and oak mixed forest using 18O soil water labelling. In: Trees, Structure and Functioning. 25. S. 885-894.